Sicher vorgesorgt für den Todesfall
Da der Tod eines sehr nahe stehenden Menschen wie ein Elternteil oder des Ehepartners ein sehr einschneidendes Ereignis im Leben eines Menschen ist, wird das Thema Trauerbewältigung gerne verdrängt und in der öffentlichen Diskussion noch weniger thematisiert als Themen, die unmittelbar mit der Bestattung in Zusammenhang stehen. Das hat zur Folge, dass Betroffene oft mit ihren Verlust alleine gelassen werden.
Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich jeder Mensch einmal mit der eigenen Trauerbewältigung konfrontiert wird. Ganz im Sinne des großen Reformators Martin Luther, der einmal gesagt hat, dass wir mitten im Leben auch gleichzeitig mitten im Tode sind, sollten die Themen Tod und Trauer den Menschen von vornherein im verstärkten Umfang bewusst gemacht werden. Nur wer den Tod als Bruder des Lebens akzeptiert, lernt letztlich eine ausreichende Wertschätzung für das eigene Leben und das seiner Mitmenschen zu entwickeln.
Auf den Tod kann sich der Mensch nur selten vorbereiten, selbst wenn Menschen nicht in Folge einer plötzlichen Unfalles sterben. Der Tod eines Menschen stellt selbst dann ein Schock dar, wenn dieser z. B. auf Grund eines langen schweren Krebsleidens unmissverständlich prognostiziert wurde, weil es in der menschlichen Natur liegt die Endgültigkeit des Todes verdrängen und den Leben hinterher eilen zu wollen. Ein Leben ohne den geliebten Menschen, der nicht nur am eigenen Leben teilgehabt, sondern dieses auch durch den anderen Menschen definiert worden ist, ist zu Lebzeiten kaum vorstellbar.
Tritt schließlich das Unabwendbare ein, ist auf einmal alles anderes. Oft muss das Leben einer ganzen Familie neu organisiert werden neben der schweren Aufgabe der Trauerbewältigung, die vordergründig nicht nur eine Bewältigung des Todes, sondern auch des Lebens darstellt.
Es heißt nicht einfach nur Abschied nehmen von einem vertrauten Mitmenschen, sondern auch von den eigenen Erwartungshaltungen, Hoffnungen und Träume, mit anderen Worten von einer Zukunft, die ohne den nahen Menschen nicht mehr so sein kann wie es Vergangenheit und Gegenwart gewesen sind.
Trauer und auch die Gewissheit, dass alle Menschen sterben müssen, können in diesem Zusammenhang aber sehr gewinnbringend für das Leben sein. Menschen, die sich z. B. durch zurück liegende Trauerfälle in der Familie, mit dem Tod unmittelbar auseinander setzen mussten, gehen oft ihr Leben anders als vorher an, schieben weniger Pläne auf und leben im „Hier“ und „Heute“. Mit der Zeit droht jedoch den Menschen, die mit dem Thema Tod direkt konfrontiert wurden, dass der Alltag sie wieder einholt. Es wird mit anderen Worten wieder so gelebt, als hätten die Menschen alle Zeit der Welt zur Verfügung. Doch selbst, wenn Bruder Tod lange vorher in Erscheinung getreten ist, kann die Bewältigung der Trauer schmerzhaft und lang sein.
Die Art und Weise, wie die Trauerbewältigung vor sich geht, ist dabei so individuell wie die
Menschen. Psychologen rechnen für eine wirksame Bewältigung der Trauer über den Tode eines Familienangehörigen einen durchschnittlichen Zeitraum von sieben Jahren. Das Thema Trauerbewältigung ist schwer fassbar, da jeder Mensch mit dem erlittenen Verlust anders umgeht, diese anders erlebt und damit anders umgeht.
Die Trauerreaktion ist abhängig von einer Vielzahl an Faktoren. Vordergründig dabei ist natürlich, die Beziehung, die der Trauernde zum Verstorbenen gehabt hat. Doch auch die Art des Todes (z. B. durch Krankheit, Unfall, Selbstmord) und das Alter des Verstorbenen stellen eine entscheidende Größe für die Art der Trauer dar.
Eine nicht oder nicht ausreichend verarbeitete Trauer in der Vergangenheit, kann sich nun rächen, da die Verlustgefühle zumindest unbewusst immer noch vorhanden waren und nun mit dem neuen Trauerfall wieder in der Gestalt in Erscheinung treten, dass der neue Trauerfall als sehr viel schwieriger empfunden wird und der Mensch dadurch vollkommen aus den Fugen zu geraten droht. Daher ist es wichtig, sich dem Thema der wirksamen Trauerbewältigung zu stellen, die leider nicht nur vom Trauernden abhängig ist, sondern auch davon, wie das soziale Umfeld und die wirtschaftliche und familiäre Situation des Trauernden aussehen.
Liegen keine wirtschaftlichen Nöte oder Sorgen vor und sind verständnisvolle,
fürsorglicheund geduldige Freunde und Angehörige vorhanden, werden Länge und
Wirksamkeit der Trauerbewältigung begünstigt. Daher kann die finanzielle Absicherung der
Abwicklung des Todes durch eine Sterbegeldversicherung auch für die Trauerbewältigung
sehr wichtig sein.
Für eine wirksame Trauerverarbeitung sind aber primär auch Freunde und Angehörige gefordert, die sich um den Trauernden auf den langen Weg der Trauer begleiten. Leider gibt es für diesen Weg keine Abkürzung, so steinig und hart er auch sein mag. Daher bringen Alltagsweisheiten wie „Reiß dich mal zusammen, das Leben geht ja schließlich weiter“ oder „nach so langer Zeit muss mal langsam gut sein“ gewöhnlich wenig.
Durch den Tod eines Angehörigen oder sehr engen Freundes gerät der Mensch in eine emotionale Schieflage. Es dauert bis der Verlust als Teil des neuen Lebens, ohne den geliebten Mitmenschen akzeptiert werden kann.
Doch am Ende jeden dunklen Tunnels kommt auch wieder das Licht. Die Trauer selbst beginnt den Menschen (neue) Kraft (zurück) zu geben und zwar von dem Punkt an, an dem der Tod des Mitmenschen – auf psychisch-mentaler Ebene – akzeptiert werden kann. Wie eine Sonnenblume, die ihr Antlitz der Sonne entgegen richtet, damit die Schatten hinter ihr fallen, beginnen die meisten trauernden Menschen wieder nach vorne zu schauen und sind bereit neue Beziehungen einzugehen, wenn die Trauerbewältigung erfolgreich gewesen ist.
Festzustellen, wann man über den Verlust hinweg gekommen ist, ist alles andere als einfach. Hilfreich kann es sein, die Trauerbewältigung als einen Prozess zu verstehen, der in mehrere Phasen unterteilt ist. Die Psychologie hat dafür mehrere unterschiedliche Theorien. Es ist jedoch allgemeiner Konsens, dass zu Beginn in der Regel die Phase des Schocks und Nichtwahrhabenwollen eintritt, in der Trauernde gewöhnlich nicht ihre Gefühle verarbeiten können. Das folgt erst in der zweiten Phase, in der der Verlust den Trauernden mit voller emotionaler Wucht erfasst. Den Menschen wird in dieser Phase auf klar, wie leer und bedeutungslos das Leben ohne den Verstorbenen empfunden wird. In der dritten Phase beginnen sich Trauernde neu zu orientieren und ihren Leben einen neuen Sinn zu geben. In dieser Trauerphase fangen auch Personen oft an ihr eigenes Leben und das Miteinander mit ihren Mitmenschen bewusster zu erleben. In der vierten und letzten Trauerphase hat dann der Trauernde ein neues psychisch-mentales Gleichgewicht hergestellt, indem man sich mit dem Tod des geliebten Menschen arrangiert und das eigene Leben neu ausgerichtet hat.
Auch wenn das psychologische Schema von den vier Trauerphasen auf den ersten Blick sehr nach einer Entwicklung weg von der Trauer hin zur vollkommenen Trauerüberwindung aussieht, ist die Realität sehr viel komplexer. Die Trauerphasen bauen nicht aufeinander auf, sondern sind eher als den emotionalen Momentzustandes des Trauernden zu verstehen. So kann es z. B. sein, dass der Trauernde an dem einen Tag den Eindruck erweckt, mit der Trauer bereits über den Berg zu sein, während dieser am nächsten Tag wieder komplett niedergeschlagen ist. Die verschiedenen „Phasen“ treten bei den Menschen im Hinblick auf die Länge, Häufigkeit und Intensität so unterschiedlich auf, wie verschieden die Menschen sind und die Beziehung mit dem Verstorbenen sind, die jetzt nicht mehr gelebt werden können.
Sogar die erste Reaktion, der Schock, ist nicht bei allen Menschen gleich. Zwar löst die Nachricht vom Tode bei allen Menschen ein Gefühl der Unfassbarkeit aus, da zunächst der Verlust mental nicht akzeptiert werden kann, die Schockphase variiert jedoch sehr stark in ihrer Länge. War der Verstorbene nur ein flüchtiger Bekannter dauert der Schock nur einige Minuten, nach denen man dem Tode des Menschen akzeptiert hat. Bei sehr engen Beziehungen, die durch den Tod auseinander gerissen werden dauert der Zustand des Schocks dagegen oft Tage oder sogar einige Wochen.
Psychologen begründen die emotional-mentale Starre, die der Tod auslöst, damit, dass der Mensch stets die Kontrolle über das Leben haben möchte und nicht akzeptieren kann, wenn diese durch den Tod Grenzen gesetzt sind. Der Tod, auf den man eigentlich nie vorbereitet ist, reißt den nächsten Mitmenschen den Erdboden unter den Füßen weg, womit der Mensch überfordert wäre und deshalb zunächst in einem Zustand der Starre verfällt, um die Psyche wie nach einem schweren Unfall vor einer vollkommenen Überlastung zu schützen. Damit lässt sich auch erklären, warum viele Trauernde für Außenstehende sehr gefasst wirken, womit allerdings keine Prognose über die wirkliche Tiefe der Trauer gegeben werden kann. Viele wirken gerade in der Schockphase erstaunlich zuversichtlich und aktiv, fallen dagegen nach Beerdigung und Trauerfeier in ein umso tieferes emotionalen Ausnahmezustand.
Jedoch ist die Akzeptanz des Todes notwendig zur – oft langwierigen Überwindung – der Trauer Einige Menschen überwinden ihre Trauer nie und verbleiben sogar in der ersten Phase wie es bei Menschen zu beobachten ist, die immer noch genauso leben wie vor dem Tode des Partner und im Extremfall sich so verhalten, als sei dieser nur „verreist“.
Trauernde müssen jedoch die Tatsache akzeptieren, dass der Verstorbene seinen letzten Weg gegangen ist und nie mehr wieder kommen wird, was ein sehr anstrengender und schmerzhafter Prozess ist. Gerade zu Beginn wechseln sich die Phase des Leugnen und der Akzeptanz der Realität, die mit großen emotionalen Gefühlsausbrüchen – nicht nur negativer, sondern auch positiver Art – einher gehen, gegenseitig ab. Dadurch, dass zwischen beiden Phasen kein klarer Schnitt gemacht werden kann, lernt der Trauernde jedoch mit der neuen Lebenssituation umzugehen. Gerade in der ersten Zeit der Trauerphase, die sich leicht über einige Monate hinziehen kann, leiden trauernde an meistens bisher ungekannte Gefühlsschwankungen, die es durchaus in sich haben können. So ist es typisch für tief trauernde Menschen andere Menschen, z. B. Ärzte oder auch Familienangehörige, die oft gar keine Schuld am Tode tragen, dafür verantwortlich zu machen und fast gleichzeitig sich selbst die Schuld für das Ableben des Familienangehörigen zu geben. Freizeitaktivitäten, die früher viel Freude und Spaß gemacht haben können jetzt als trostlos empfunden werden bei gleichzeitiger Verbitterung auf Menschen, die sich an ihrem Leben erfreuen können. Auch eine irrationale Wut auf den Verstorbenen und gleichzeitigen Schuldgefühlen, zu Lebzeiten nicht genug getan zu haben und den Tod verhindert haben können, sind häufige Gefühle während der emotionalen zweiten Phase.
Hinzu kommt noch, dass die mit der Trauer verbundene bewusste und vor allem auch der unbewusste Stress oft zu einer Beeinträchtigung des Denkens und auch der Wahrnehmung führen. In den ersten beiden Phasen sind die Erinnerungen so lebendig, dass viele Trauerende sogar davon überzeugt sind, mit den Verstorbenen persönlich zu sprechen und ihn getroffen zu haben. Verleugnung und Akzeptanz des Todes sind zum Teil so stark ausgeprägt, dass der Verstorbene von der Psyche zunächst zurück geholt wird. Nur die intensive mental-emotionale Auseinandersetzung mit dem Verstorbenen ermöglicht eine Verarbeitung der Trauer auf Dauer. Das Leben mit dem anderen Menschen und auch offene Probleme und Pläne werden oft während der Trauerphasen aufgearbeitet, insbesondere in Form von Gesprächen mit Freunden und Verwandten über den Toten, aber auch in Form von sehr intensiven Träumen.
Bei vielen hat die psychische Niedergeschlagenheit auch Auswirkungen das gesundheitliche Wohlbefinden und kann sogar schwere (chronische) Erkrankungen auslösen. Die Trauerreaktionen sind jedoch nicht universell. Die einen leiden an vollkommener Appetitlosigkeit, andere essen dagegen wesentlich mehr als zuvor. Insbesondere bei älteren Menschen, deren Immunsystem sowieso schon geschwächt ist, steigt das Risiko für Herzerkrankungen.
Allerdings ist jeder Mensch ein einzigartiges Individuum, das oft vollkommen unterschiedlich mit Trauer umgeht. Daher gibt es für die Trauerbewältigung keine Patentrezepte. Denn es gibt Menschen, die in der Hochphase ihrer Trauer durch sehr viele Aktivitäten und neuen Kontakten im sozialen Bereich von ihrem Schmerz nicht nur ablenken, sondern ihn in neue „Lebensinhalte“ zu kanalisieren versuchen. Andere dagegen ziehen sich vollkommen zurück und können kaum noch einer Tätigkeit und einem geregelten Tagesablauf nachgehen. Besonders letzteres erweist sich bei den meisten auch als sinnvoll, solange nicht auf Dauer soziale Kontakte gescheut werden. Die sofortige Flucht in „Hyperaktivität“ kann sich dagegen als emotionaler Bummerang erweisen, da der Schmerz nur verdrängt, nicht aber wirksam und langfristig verarbeitet wird, was allerdings nicht zwangsläufig der Fall sein muss, da es auf die psychische Struktur des Trauernden ankommt. Grundsätzlich müssen Emotionen und Erinnerungen eine Ausdrucksmöglichkeit haben. Welche das im einzelnen Fall sind, sollte vorwiegend mit Hilfe von Verwandten, Freunden und auch Selbsthilfegruppen und Psychologen. Gerade auf Grund des emotionalen Chaos und der irrationalen „Unberechenbarkeit“ sollten zu Beginn der Trauer wichtige Entscheidungen (wie z. B. ein ursprünglich geplanter Umzug) verschoben und keineswegs überstürzt werden, denn die Vorhaben von gestern sind ohne den Verstorbenen nicht mehr die von heute.
Trauer ist ein mühseliger, steiniger Weg, der aber gegangen werden muss, um zu lernen sein Leben ohne den Verstorbenen zu organisieren. Es geht dabei keineswegs darum, den geliebten Verstorbenen im Leben zu verdrängen und ihn keinen Platz mehr einzuräumen. Stattdessen ist die Beziehung zum Verstorbenen den veränderten Lebensumständen anzupassen, indem die Bedeutung, die der Verstorbene für das eigene Leben hat, zu bewahren.
Wer dagegen versucht, die mit der Trauer verbundenen Emotionen zu verdrängen, sei es durch übertriebene Ablenkung oder einfach der Einstellung nun „Stärke“ beweisen zu müssen, bewirkt damit eher das Gegenteil. Psychologen sind sich darin einig, dass die Unterdrückung von starken Gefühlen und Gedanken die Wahrscheinlichkeit für psychosomatische Erkrankungen, die nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Erwerbsfähigkeit massiv beeinträchtigen, zu erkranken. Die Trauer entwickelt sich dann nicht zu einem schwierigen und heilsamen Prozess, der Licht am Ende des Tunnels bringt, sondern äußert sich chronisch in Form von Depressionen und anderen Erkrankungen.
Indem sich Betroffene der Trauer stellen müssen, wird eine ungeheure Energie abverlangt, die auch wieder aufgetankt werden muss. Daher ist es auch ganz wichtig, sich im Trauerprozess Erholungsphasen und sogar Vergnügen zu gönnen, trotz oder besser gesagt gerade wegen der Trauer. Denn auch positive Gefühle wie z. B. Lachen gibt neue Energie für den Trauerprozess. Freizeitaktivitäten, Sport und Ablenkungen durch Unternehmungen mit Freunden und Familie sind gerade in der Zeit der Trauer wichtig, um präventiv gegen die Gefahr der depressiven Aktionslosigkeit zu agieren. Wer aus lauter Trauer sich dem Leben entfremdet, stellt sich auch der Trauer und dem
Schmerz über den Verlust nicht mehr.