Zahnersatz + Zahnerhalt wie ein Privatpatient
Kurz gesagt ist eine Behandlung medizinisch notwendig wenn:
In den Versicherungsbedinungen jeder Zahnzusatzversicherung ist zu lesen, dass eine Behandlung oder Zahnersatzmaßnahme nur dann erstattungsfähig ist, wenn sie medizinisch notwendig ist.
Doch was bedeutet das? Der Bundegerichtshof hat bereits vor mehrere Jahren festgelegt, welche Behandlung als medizinisch notwendig anzusehen.
Im dortigen Urteil (BGH, 29.11.1978, VErsR 1979,222) heißt es, dass “wenn es nach den damaligen objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen vertretbar war, eine Behandlung als medizinisch notwendig anzusehen”…, dies auch medizinisch notwendig ist.
Dabei kann es natürlich wie auch fast alles andere in der Wissenschaft umstritten sein, ob eine bestimmte Behandlungsform mehr oder weniger wirksam ist, doch muss der Patient, der sich in die Hände es Fachmannes, also hier eines Zahnarztes begibt, davon ausgehen können, dass dieser die Lage einzuschätzen vermag.
Wird eine Behandlung seitens eines Zahnarztes also als notwendig angesehen und ist die Behandlungsform generell auch allgemein dafür geeignet, eine bestimmte Krankheit zu behandeln, so kann man davon ausgehen, dass diese Behandlungsform medizinisch notwendig ist.
Der Begriff der Medizinischen Notwendigkeit ist in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) nicht definiert. Er ergibt sich allerdings aus der Rechtsprechung, da sich unzählige Gerichte in der Vergangenheit mit Klagen zu diesem Thema beschäftigen mussten.
Ob daher eine Behandlung als medizinisch notwendig angesehen werden kann, ergibt sich nach dadurch herauskristallisierten objektiven Regeln, nach denen eine Einschätzung der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung möglich ist – es wird hierbei lege artis zu Grunde gelegt, was soviel heißt nach den Regeln zahnärztlicher Kunst, also dem heutigen Verständnis von Zahnmedizin.
Da es jedoch zu verschiedenen Behandlungen und Methoden unterschiedliche Lehrmeinungen gibt, muss dem Zahnarzt ein gewisser Spielraum eingeräumt werden. Er kann also nach eigenem Ermessen entscheiden, welche Behandlungen bei einem Patienten die passende ist, sofern er dies wissenschaftlich belegen kann und die Behandlung wissenschaftlich erwiesen als notwendig angesehen werden kann.
Gerichte sprechen dem Patienten dabei heutzutage das Recht zu, eine Versorgungsvariante zu wählen, die dauerhaft am funktionsfähigsten bzw. dauerhaft am günstigsten ist.
Insofern kann ein Versicherer ein Implantat nicht einfach als nicht medizinisch notwendig einstufen, nur weil dieses teurer ist als beispielsweise eine Zahnbrücke. Denn es ist bei der Beurteilung ebenfalls zu berücksichtigen, was über die Jahre wirtschaftlich und medizinisch sinnvoller ist.
Ein Beispiel mag hier das Argument sein, eine herausnehmbare Prothese statt eines festen Zahnersatzes sei vollkommen ausreichend, oder eine Zahnbrücke statt eines Implantates erfülle nahezu den gleichen Zweck, sei aber kostengünstiger. Doch auch hierfür gibt es klare Urteile.
So urteilte das LG Stuttgart (Urteil 7.11.2005 – 22 O 210/02), dass Implantologie “unbestritten dem Neuesten Stand der medizinischen Technik” entspricht. Zwar sei ein Implantat natürlich wesentlich teurer als andere Formen von Zahnersatz, doch biete dies auch einen Mehrwert für den Kunden. Implantate sind in der Regel langlebiger, zudem werden Zähne neben einer Zahnlücke bei dieser Behandlungsform nicht angegriffen. Des Weiteren entspricht das Implantat am ehesten der Normalform des Gebisses, insofern kann niemand auf die Idee kommen, diese Behandlungsform als nicht medizinisch notwendig anzusehen.
Ein weiteres Argument dafür ist, dass die Versicherten, die Wert auf hochwertigen Zahnersatz legen, ihre Zahnzusatzversicherung natürlich unter genau dieser Prämisse auswählen und einen entsprechend höheren Beitrag dafür zahlen, weil Sie eben Wert auf ein Implantat im Leistungsfall legen. Genau dies muss dem Versicherer bewusst sein, weshalb er später die Form des Zahnersatzes nicht generell vorschreiben darf.
Zwar kann es Einzelfällen geben, in denen ein Implantat als nicht medizinisch notwendig angesehen werden könnte, beispielsweise, wenn zu den 10 in einem Kiefer vorhandenen Implantaten ein 11. oder 12. hinzukommen sollen, was insgesamt keinen höheren Nutzen für den Patienten bringen könnte. Doch diese Fälle sind grundsätzlich im Einzelfall zu überprüfen und rechtfertigen nicht ohne weiteres die Nichtleistung des Versicherers.
Einige Zahnzusatzversicherungen z.B. Arag Z90 Bonus versichern auch Kieferorthopädische Maßnahmen. Damit die Behandlungskosten jedoch übernommen werden, muss die Maßnahme medizinisch notwendig sein. Rein kosmetische Korrekturen übernimmt der Tarif nicht.
In jedem Fall medizinisch notwendig ist eine KFO-Maßnahme, wenn eine Einstufung der Fehlstellung in KIG 3-5 erfolgt.
Meistens auch bereits, wenn die Kieferindikationsgruppe 2 zumindest erreicht wird. Bei einer leichten Fehlstellung in KIG1 kommt es sicher auf ein Gutachten an. Hier könnte eine Behandlung natürlich z.B. dann medizinisch notwendig sein, wenn sich der Kieferung die Zahnreihen ohne eine KFO-Maßnahme weiter verschieben würden.
Eine leichte Zahnfehlstellung, die jedoch bereits seit Jahren existiert und einfach nur unschön aussieht wird vermutlich nicht medizinisch notwendig sein.
Bei Erwachsenen, die eine solche Zahnzusatzversicherung abschließen, sei ferner angemerkt, dass die Fehlstellung natürlich erst nach Abschluss der Versicherung diagnostiziert worden sein darf. Wenn der Versicherer nachweisen kann, dass eine Fehlstellung bereits seit Jahren vor dem Versicherungsbeginn existiert ist es nicht einmal relevant, ob eine Behandlung medizinisch notwendig wäre oder nicht. Da der Versicherungsfall dann bereits vor dem Versicherungsbeginn eingetreten ist, fiele eine solche Maßnahme sowieso nicht unter den Versicherungsschutz.
Analog gilt dies natürlich auch für Behandlungen bei Kindern und auch für andere Behandlungsgebiete neben Kieferorthopädie.